Abschiebungen werfen aus menschenrechtlicher und gesundheitlicher Perspektive viele Fragen auf. Abschiebungen und deren Androhung können die Gesundheit und manchmal sogar das Leben der betroffenen Personen gefährden. Das gilt insbesondere für besonders schutzbedürftige Gruppen wie traumatisierte Personen und Menschen, die mit Einschränkungen oder schweren chronischen Erkrankungen leben, für Kinder und Jugendliche sowie schwangere Frauen.
Angst und existentielle Unsicherheit sind ständige Begleiter von vor Abschiebung bedrohter Personen. Sogenannte „geduldete“ Geflüchtete müssen teilweise jahrelang fürchten, abgeschoben zu werden. Das kann für sie schwerwiegenden psychische und gesundheitliche Folgen haben. Ihr unsicherer legaler Status zieht eine Reihe von strukturellen Diskriminierungen nach sich. Diese Zeit der dauernden Unsicherheit ist ein erheblicher Stressfaktor für Geflüchtete und kann zu psychischen Störungen bis hin zur Selbstgefährdung führen. Wichtige Heilungsprozesse werden erschwert oder immer wieder zunichte gemacht.
Als staatlich legitimierter Gewaltakt und Zwangsmaßnahme stehen Prinzip und Praxis von Abschiebungen auch grundsätzlich in einem schwierigen Spannungsverhältnis zum staatlichen Auftrag, die Würde des Menschen zu schützen.
Das Aufenthaltsrecht geht von der Vermutung aus, dass Abschiebungen grundsätzlich keine gesundheitlichen Gründe entgegenstehen - obwohl es in der Praxis immer wieder zu massiven Gesundheitsgefährdungen durch Abschiebungen kommt.
Schwer erkrankte Menschen dürfen laut Aufenthaltsgesetz dann nicht abgeschoben werden, wenn droht, dass sich dadurch ihr Gesundheitszustand "wesentlich verschlechtern" oder sogar ihr Leben in Gefahr zu geraten könnte. Dies muss allerdings als "gesundheitsbezogenes Abschiebehindernis" im Asylverfahren von der geflüchteten Person selbst geltend gemacht werden. Dafür bedarf die Person einer qualifizierten ärztlichen Bescheinigung, Attests oder Gutachtens durch ein*e entsprechende Fachärzt*in.
Seit den 2010er Jahren hat der Gesetzgeber immer restriktiver ausgelegt, was als schwerwiegende Erkrankung gilt und wann gesundheitsbezogene Abschiebehindernisse vorliegen. So gilt eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) heute nicht mehr als grundsätzlich schwerwiegende Erkrankung, die einer Abschiebung entgegen steht. Andere Traumafolgestörungen bleiben unerfasst. Der Zugang zu Attesten und Gutachten im Asylverfahren wurde - etwa durch unrealistische Fristen, eine Beweislastumkehr zu ungunsten der Schutzsuchenden, dem sachlich nicht begründeten Ausschluss von psychologischen Psychotherapeut*innen und Kinder- und Jugendtherapeut*innen - massiv erschwert. Eine Handreichung zu ärztlichen Stellungnahmen der IPPNW soll Ärzt*innen bei der Verfassung von Stellungnahmen helfen.
Bezüglich stationär behandlungsbedürftiger Patient*innen gibt im Aufenthaltsgesetz keine allgemeine gesetzliche Regelung. Allerdings haben inzwischen mehrere Landesregierungen auf die Problematik mit politischen Erlassen für Ausländerbehörden und Polizei reagiert, die Abschiebungen im Kontext stationärer Krankenhausbehandlungen stark einschränken oder verbieten. In Thüringen, Rheinland-Pfalz, Berlin, Brandenburg, Bremen und Schleswig-Holstein gibt es entsprechende Verbote oder Einschränkungen. Dennoch hat der Bund bis jetzt keinen Handlungsbedarf erkannt.
Der Deutsche Ärztetag hat 2017 bekräftigt, dass geflüchtete Menschen in stationärer Behandlung nicht reisefähig sind und dementsprechend nicht abgeschoben werden dürfen (Beschlussprotokoll 120. Deutscher Ärztetag Freiburg Antrag Ib – 134, S. 131). Auch die Bundesdirektorenkonferenz, der Verband leitender Ärztinnen und Ärzte der Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie (BDK) e.V. und die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer BAfF e.V. haben sich kritisch zu Abschiebungen aus stationärer Behandlung positioniert.
Die Abholung von Patient*innen aus Krankenhäusern und Kliniken durch die Polizei zwecks Abschiebung stellt für die Betroffenen eine massive Stresssituation dar und verunsichert und belastet auch Mitpatient*innen und Beschäftigte. Der Umgang mit Polizei und Ausländerbehörde kann Klinikpersonal im Arbeitsalltag überfordern. Parallel zu der Meldestelle stellen wir daher Materialien für medizinisches Personal zur Verfügung, die über das Thema aufklären und Hilfestellungen geben.